NZZ-Redaktor Werner Grundlehner über das «richtige» Spenden: «Regelmässig an das gleiche zertifizierte Hilfswerk per Lastschrift einzahlen.»
Weihnachtszeit – Spendenzeit. Das wissen auch die gemeinnützigen Organisationen. Zum Jahresende flattern zahlreiche Spendenaufrufe ins Haus, meist mit direkt beigelegtem Einzahlungsschein. Doch welchen Hilfswerken kann man vertrauen, soll man seine Spende aufteilen,und ist es auch sinnvoll,gemeinnützigen Organisationen kleine Beträge zukommen zu lassen? Im vergangenen Jahr spendeten die Schweizer annähernd 1,8 Mrd.Fr. Dieser Wert wird von der Zertifizierungsstelle für gemeinnützige Spenden sammelnde Organisationen (Stiftung Zewo) erhoben. Kleinspenden machten dabei fast 50% des Aufkommens aus – neben Legaten, Mitgliederbeiträgen, Patenschaften, Grossspenden und Anlässen.
Aufwand minimieren
«Spender sollten wenige, dafür aber sorgfältig ausgewählte, vertrauenswürdige Organisationen unterstützen», sagt Bernhard Bircher von der FundraisingAgentur Corris, die für über dreissig Hilfswerke tätig ist. Am besten unterstütze man seinen Favoriten möglichst langfristig und regelmässig. Eine Einmalspende von 20 Fr. sei zwar immer willkommen, aber aufgrund der vergleichsweise hohen Spesen und fehlender Regelmässigkeit nicht sehr nachhaltig, fügt er an. Spenden über das ganze Jahr verteilt, mit einem spesenfreien Lastschriftverfahren,machen die Einnahmen für die Hilfswerke planbar und reduzieren den administrativen Aufwand. Damit das Spendengeld auch wirklich hilft, sollte man nur solchen Hilfswerken Beiträge geben,die man persönlich kennt oder die von der Zewo geprüft sind. Diese Stelle prüft neben der Frage, ob Spendengelder nicht zweckentfremdet werden, auch Aspekte der Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Hilfeleistungen sowie derTransparenz und der Ethik. Die Zahl der Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel ist seit Jahren mit rund 500 Hilfswerken stabil. Diese sind auf der ZewoHomepage aufgelistet, dort findet man auch Organisationen, denen das Zertifikat abgesprochen wurde, die Ziel vieler Beschwerden sind, und solche, die sich weigern, die geforderten Unterlagen einzureichen.Zwei von drei Spendenfranken von privaten Haushalten gehen an Hilfswerke mit Zewo-Gütesiegel.
Auf der medialen Agenda
Angesichts von «Grossoffensiven» der Glückskette oder Veranstaltungen wie «Jeder Rappen zählt» in Radio und Fernsehen bekommt man den Eindruck, hier werde anderen wohltätigen Organisationen viel Potenzial weggenommen. Das Spendenvolumen von «Jeder Rappen zählt» betrug vergangenes Jahr 6,7 Mio. Fr. Die Glückskette erhielt 5 Mio. Fr. für die Hilfe im Bergsturzgebiet Bondo. Das ist erfreulich für die Betroffenen, fällt aber im gesamten Spendenvolumen von fast 1,8 Mrd. Fr. nicht ins Gewicht. «Natürlich kann sich kein Hilfswerk eine so grosse mediale Präsenz leisten wie ‹Jeder Rappen zählt›», sagt Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer. Viele Hilfswerke fänden es in der heutigen Medienlandschaft schwierig genug,auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen.«Jeder Rappen zählt» mache es ihnen zwar auch nicht leichter, die Aktion setze aber das Thema Spenden immerhin auf die mediale Agenda. Beim Spenden ist die Schweiz noch traditionell. Hilfswerke erhalten nur ein halbes Prozent der Spenden über alternative Kanäle wie SMS, Apps und Crowdfunding. Bei den Internet-Spenden hätten direkte Spenden via Website des Hilfswerks bereits heute grössere Bedeutung als Spenden, die Hilfswerke via Crowdfunding- und andere Internetplattformen erhalten, sagt Ziegerer. Crowdfunding-Plattformen werden von der Zewo nicht zertifiziert. Der Anteil digitaler Spenden am Gesamtvolumen hat sich gemäss der neusten Digital-Fundraising-Studie 2016 auf 2,8% erhöht, was einer Steigerung von 10% entspricht. Corris geht davon aus, dass der Anteil digitaler Spenden weiter rasch steigen wird. Die Fundraising Agentur nimmt gemäss Bircher den Trend hin zu digitalen Hilfsmitteln mit dem Einsatz von iPads und neuen digitalen Zahlungsformen auf.
Virtual Reality und Erlebnisse
Digitale Präsentationen auf iPads sind mittlerweile bei vielen Kampagnen Standard, es werden aber auch Virtual-Reality-Brillen verwendet oder gar Erlebnisstände wie zum Beispiel das «Fenster nach Syrien» durch Amnesty International eingesetzt. Mit diesen multimedialen Hilfsmitteln wird versucht, die Menschen mit Spendengeschichten und Erlebnissen zu berühren und für eine Spende zu gewinnen. Digitales Fundraising funktioniert gemäss Bircher gut in Verbindung mit einem sympathischen und informativen Gespräch mit einem Menschen aus Fleisch und Blut. Ein gutes Gespräch bleibe auch in Zukunft die Basis für eine nachhaltige Beziehung zwischen Spender und Hilfswerk.
Autor: Werner Grundlehner, Quelle: NZZ vom 4.12.2017 – Artikel als PDF.