Als Meinung zum Artikel „Das knallharte Geschäft der Spendensammlerinnen“ schreibt der Journalist Konrad Staehelin am 25.12.2021 in der Sonntagszeitung: „Die oft blutjungen Menschen, die für Hilfswerke arbeiten, tun dies nicht ehrenamtlich. Wer sich darüber empört, glaubt wohl noch an den Weihnachtsmann“.
Wer an Hilfsorganisationen spendet, erwartet zwar keine Gegenleistung, aber immerhin die Gewissheit, dass sein Geld auch tatsächlich dort ankommt, wo es gebraucht wird: bei den hilfsbedürftigen Menschen. Umso verständnisloser ist die Reaktion vieler, wenn sie erfahren, dass die jungen Frauen und Männer, die sich jeden Tag die Kleidung von Hilfswerken anziehen und auf Schweizer Strassen Spenden sammeln, gut verdienen.
4500 Franken beträgt der Durchschnittslohn bei der Marktführerin Corris AG. Wer erfolgreich ist, kommt dank der Boni auf bis zu 6000 Franken – ein stattlicher Verdienst für einen Job, für den es keine Ausbildung braucht.
Doch die Empörung über die Geschäftspraktik und die Löhne ist blauäugig. Die Spendensammlerinnen und -sammler sind kommunikativ so talentiert, dass sie jederzeit eine andere anständig bezahlte Stelle finden könnten. Kaum jemand von ihnen wäre willens, sich jeden Tag Hunderte Absagen von gehetzten Schweizer Pendlern anzuhören, beseelt einzig vom Einsatz für die gute Sache. Wenn so jemand gratis arbeitet, dann müsste es zumindest im Projekt vor Ort sein, wo es Aufregendes zu erleben gäbe.
Dass die Hilfswerke nicht gerade damit werben, wie gut sie ihre Fundraiser bezahlen, sondern lieber ihre Projekte vorzeigen, ist nachvollziehbar: Erstens sind diese ihr Alleinstellungsmerkmal, zweitens würden sonst wohl einige von einer Spende absehen.
Wichtig ist stattdessen, dass die Ausgaben transparent ausgewiesen werden, was der Fall ist. Kontrolliert wird das jeweils von der Prüforganisation Zewo: Im Schnitt fliessen laut deren Angaben 7 Prozent ins Fundraising. Dieses ermöglicht den Hilfswerken erst, ein Vielfaches, nämlich rund ein Drittel ihrer Budgets, mit Spenden zu bestreiten. Die guten Löhne für die Spendensammlerinnen und -sammler sind also hervorragend investiertes Geld und deswegen völlig gerechtfertigt.
Quelle: Sonntagszeitung, 25.12.2021